Fachtagung „Männlichkeit(en) in der Kita“

Fachtagung „Männlichkeit(en) in der Kita“

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Auf Einladung des Kompetenzzentrums geschlechtergerechte Kinder- und Jugendhilfe Sachsen-Anhalt e.V. (KgKJH) und des Netzwerks geschlechtergerechte Berufsorientierung waren rund 80 Leiter_innen, Erzieher_innen und Fachkräfte angrenzender Arbeitsbereiche nach Magdeburg angereist. Unter dem Titel „Männlichkeit(en) in Kindertagesstätten“ sollten verschiedene Themen diskutiert werden, die Jungen und Männer in Kitas betreffen.

Sozialminister Bischoff
Foto:I. Schunke

Eröffnet wurde die Veranstaltung von Sozialminister Norbert Bischoff, der in seinem Grußwort die Wichtigkeit des Themas betonte: „Frauen und Männer sind für Kinder als professionelle Bezugspersonen von großer Bedeutung.“ Er führte weiter aus, dass ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis unter den Fachkräften normaler Bestandteil des Konzepts einer Kita sein müsse. Ähnlich, wie es zum Beispiel im Verkaufsbereich gelungen ist, mehr Männer zu gewinnen, sollte dies auch Ziel in Kitas sein.

Zweiter inhaltlicher Schwerpunkt der Tagung war die Situation von Jungen in Kindertagesstätten – einem Thema, das in der öffentlichen Debatte eng mit dem Männeranteil in Kitas verbunden ist.

Dr. Frauke Mingerzahn, Vorstandsvorsitzende des KgKJH und Vertretungsprofessorin an der Hochschule Magdeburg-Stendal im Studiengang für Kita-Leiter_innen, verwies in ihrer Begrüßung darauf, „dass es, aufgrund der geschlechtsspezifischen Sozialisation vom frühsten Kindesalter an, seit langem ein besonderes Thema des KgKJH ist, sich Jungen und den sie begleitenden Fachpersonen, Eltern und anderen Verwandten zuzuwenden.“

Untermauert wurde diese Aussage durch den Vortrag von Bernd Mitsch, Erzieher und Diplomjournalist aus dem nördlichen Sachsen-Anhalt. Er hatte im Jahr 2010 am Beispiel dreier sachsen-anhaltischer Einrichtungen hinderliche und förderliche Bedingungen für die geschlechtsspezifische Arbeit mit Jungen in Kindertagesstätten untersucht und seine Ergebnisse dem Fachpublikum vorgestellt.

„Es ist hinderlich für den geschlechterreflektierten Umgang mit Jungen, dass Erzieherinnen oft den Erwartungen der Eltern entsprechen wollen.“ Mitsch führt dazu weiter aus, dass die Erzieherinnen „ihren Einfluss auf den Umgang mit den Jungen dadurch zu wenig wahrnehmen und zu selten zu geschlechtsuntypischen Aktivitäten animieren.“ Gleichzeitig gäbe es aber auch eine Reihe von förderlichen Kriterien. „Die Erzieherinnen heben die Wichtigkeit hervor, Rückendeckung von Politik und Verwaltung für einen geschlechtergerechten Umgang mit Jungen und Mädchen in Kitas zu er-halten.“ Auch in der anschließenden Diskussion wurde noch einmal die Bedeutung von politischen Entscheidungen für die Arbeit in Kitas betont. Unter dem Titel „Jungen in der Kita“ können die Ergebnisse als Buch beim KgKJH (www.geschlechtergerechteJugendhilfe.de) erworben werden.


Das Buch ist beim KgKJH erhältlich
Dr. Tim Rohrmann
Foto:I. Schunke

Der zweite Fachvortrag des Vormittags war stärker auf Männer in Kitas fokussiert. Eingeladen war dazu Dr. Tim Rohrmann von der Koordinationsstelle Männer in Kitas. Das Projekt wurde 2010 im Rahmen des Bundesprogramms „MEHR Männer in Kitas“ vom BMFSFJ und der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin ins Leben gerufen.

„In der Elementarpädagogik waren nie Männer, es war immer normal, dass das Frauen gemacht haben“, so Rohrmann zu Beginn. Frauen könnten, seiner Ansicht nach, hervorragend geschlechterreflektiert mit Jungen arbeiten. Ohne dieses Thema zu schmälern, sei es aber eben so schön, wenn es mehr männliche Fachkräfte in diesem Bereich gäbe. Oft sei man sich nicht bewusst, so Rohrmann, „dass damit eine ganz Idee eingebracht wird: Die gemeinsame Erziehung von kleinen Kindern durch Männern und Frauen.“

Rohrmann konnte in seinem Vortrag vor allem aufzeigen, wie sich Kindertageseinrichtungen aktiv mit der Erhöhung des Anteils männlicher Fachkräfte auseinandersetzen können. Vor allem das Erwartungsbild, dass an einen Mann von Erzieherinnen gestellt wird, sollte dabei als Wesentlichstes hinterfragt werden, denn „Handwerklich interessierte Männer werden Handwerker und nicht Erzieher!“, so Rohrmann. Viele Männer, die in Kitas arbeiten, berichten von anfänglichen Verunsicherungen über die Aufgaben, die an sie herangetragen wurden und zum Teil mit denen eines Hausmeisters zu verwechseln waren. Hilfreich sei es für Einrichtungen in jedem Fall, sich Unterstützung von außen zu holen, „besonders dann, wenn der Mann nicht so ist, wie die Kolleginnen erwartet haben.“

Am Nachmittag ging es nach einführenden Worten des Kinderbeauftragten der Landesregierung, Gerd Keutel, dann besonders um die Berufsorientierung junger Männer. Im Fokus stand dabei der Zukunftstag für Mädchen und Jungen, der am 14. April allen männlichen Jugendlichen der 7. bis 10. Klasse in Sachsen-Anhalt die Möglichkeit gibt, Berufe im Sozial- und Gesundheitsbereich zu erkunden. Langfristig sollen dadurch auch mehr Schüler für eine Ausbildung Erzieher und anschließende Tätigkeit in Kitas in Sachsen-Anhalt gewonnen werden. Außerdem kann dieser Tag den jungen Männern viele wichtige Erfahrungen in der Arbeit mit kleinen Kindern ermöglichen und ihre ganze Entwicklung positiv beeinflussen.

Jessica Pollak und Christoph Damm von der Netzwerk- und Servicestelle für geschlechtergerechte Berufsorientierung und Lebenswegplanung in Sachsen-Anhalt berichteten dazu über die Ergebnisse einer Schüler_innenbefragung aus dem Jahr 2009. Schwerpunkt lag bei der aktuellen Auswertung auf den Wünschen und Bedürfnissen von Jungen für die Berufsorientierung und Lebenswegplanung. Thematisch wichtig war dabei vor allem die Erkenntnis, dass zwar „57 Prozent der Jungen Frauen für soziale Berufe geeignet hielten, was aber im Umkehrschluss auch bedeutet, dass der Rest es eben nicht so sieht.“, so Jessica Pollak. Auch in der anschließenden Diskussion wurde dieser Fakt noch einmal als Potenzial für die geschlechtergerechte Berufsorientierung hervorgehoben. Am meisten Interesse fänden demnach praktische Erfahrungen in den Einrichtungen. Christoph Damm wies dazu auf Erhebungsdaten hin, die zeigten, dass „bereits in der 5. Klasse mehr als 30 Prozent der Jungen Lust haben, sich in der Praxis über Berufe zu informieren. Dieser Anteil steigt in der 8. Klasse auf über 60 Prozent“ und müsse demnach gezielt für die geschlechtergerechte Berufsorientierung als Anregung für mehr praktische Angebote gelten.

Plenum der Fachtagung
Foto:I. Schunke

Nach den eher theoretischen Eindrücken trafen sich die Teilnehmer_innen dann in vier themenspezifischen Workshops. Unter der Leitung von Jessica Pollak wurden Fragen und Erfahrungen zu Angeboten für Jungen am Zukunftstag diskutiert. Marc Melcher, der vom Paritätischen Bildungswerk aus Frankfurt am Main angereist war, berichtete vom Projekt „Soziale Jungs“, das bereits bundesweit in verschiedenen Städten Nachahmer_innen gefunden hat. Mathias Kühne, Sozial-pädagoge und Jungenarbeiter, zeigte den Teilnehmer_innen seines Workshops auf, wie Jungen für die Wahl ungewöhnlicher Praktikumsplätze motiviert und gestärkt werden können.

Der vierte Workshop hatte ein besonderes Anliegen und war dazu ganz gezielt an männliche Fachkräfte aus Kindertagesstätten, Horten und Krippen gerichtet. 17 Männer hatten sich unter der Leitung von Christoph Damm dazu gefunden. Nach anfänglichen Gesprächen über individuelle Arbeitserfahrungen der Männer stand fest, dass alle Anwesenden ein großes Interesse an einem Austausch unter Gleichgesinnten haben. Da es so etwas in Sachsen-Anhalt noch nicht gibt, wurde der Wunsch nach einem landesweiten Arbeitskreis für Erzieher deutlich formuliert. Dieser Landesarbeitskreis, so der Plan der Interessenten, soll sich in den kommenden Monaten erstmals treffen und möglichst in dreimonatigen Rhythmus eine themenbezogene Plattform zum Austausch unter Erziehern bieten.

Erzieher aus Sachsen-Anhalt
Foto:I. Schunke

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Text: Christoph Damm
Foto: Irena Schunke

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